Umsturz in Bangladesch: Regierungschefin Hasina setzt sich nach...


Bangladeschs Premierministerin Hasina ist angesichts der Protestwelle, bei der 300 Menschen ums Leben gekommen sind, zurückgetreten. Sie soll mit ihrer Schwester nach Indien geflohen sein. Am Montag drangen Tausenden Demonstranten in die Residenz der Regierungschefin ein.

Nach tagelangen Protesten und Ausschreitungen in Bangladesch ist Premierministerin Sheikh Hasina laut mehreren Medienberichten zurückgetreten und nach Indien geflohen. Tausende Menschen sollen ihren Amtssitz gestürmt haben. Aus Regierungskreisen verlautete, dass Hasina und ihre Schwester in Sicherheit gebracht worden seien. Die Lage im Land sei explosiv, sagte Justizminister Anisul Huq zur Nachrichtenagentur Reuters. Er wisse nicht, was noch geschehe. Der Armeechef bestätigte wenig später den Rücktritt Hasinas. Eine Übergangsregierung übernehme vorerst die Amtsgeschäfte. Details nannte er allerdings nicht.

Auf Fernsehbildern war am Montag zu sehen, wie tausende Menschen in den Regierungspalast in der Hauptstadt Dhaka eindringen. Die Regierungschefin hatte diesen nach Angaben aus ihrem Umfeld zuvor verlassen. Vom Fernsehsender Kanal 24 verbreiteten Bilder zeigten, wie die Demonstranten zu Tausenden in den Palast von Hasina eindringen. Anschließend beginnen sie zu feiern und winken in die Kameras.

Kam nicht mehr dazu, Rede aufzuzeichnen

Kurz zuvor hatte die Nachrichtenagentur AFP aus dem Umfeld der Regierungschefin erfahren, dass diese zusammen mit ihrer Schwester „an einen sichereren Ort“ begeben habe. Hasina habe eine Rede aufzeichnen wollen, habe aber keine Möglichkeit mehr dazu gehabt. Die Zeitung „Prothom Alo“ berichtete, Hasina sei in einem Militärhubschrauber unterwegs nach Indien. Mehrere Quellen bestätigten „CNN News“, dass Hasina in der Ostindischen Stadt Agartala gelandet sei.

Bei den gewaltsamen Zusammenstößen bei regierungskritischen Protesten in Bangladesch sind mindestens 300 Menschen getötet worden. Das ergab sich am Montag aus der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden offiziellen Zahlen von Polizei, Regierung und Spitälern. Allein am Sonntag wurden demnach 94 Menschen getötet. Angesichts angekündigter neuer Proteste gegen Regierungschefin Hasina patrouillierte am Montag ein riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften in der Hauptstadt Dhaka.

Archivbild der Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, vom 8. Jänner 2024.

Archivbild der Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, vom 8. Jänner 2024.Reuters / Mohammad Ponir Hossain

Zahlreiche Soldaten und Polizisten kontrollierten am Montag die wichtigen Straßen von Dhaka. Zudem wurden laut dem Bericht eines AFP-Reporters die Zufahrtswege zum Sitz von Regierungschefin Hasina mit Hilfe von Stacheldraht abgeriegelt und verbarrikadiert. Mit dem massiven Sicherheitsaufgebot sollte die Einhaltung einer Ausgangssperre kontrolliert werden, die am Sonntagabend verhängt worden war.

Beobachter befürchteten, dass dessen ungeachtet die Gewalt am Montag noch die Ausschreitungen von Sonntag überschreiten könnte, die bisher blutigsten seit Beginn der Proteste im vergangenen Monat. Das Internet wurde in der Früh nach Angaben von Betreibern weitgehend abgeschaltet, Büros sowie mehr als 3500 für die Wirtschaft des Landes immens wichtige Textilfabriken blieben geschlossen.

UNO-Menschenrechtskommissar „zutiefst besorgt“

„Da (…) ein Massenmarsch nach Dhaka geplant ist und die Jugendorganisation der Regierungspartei zu Aktionen gegen die Demonstranten aufgerufen hat, bin ich zutiefst besorgt, dass es weitere Todesopfer und größere Zerstörungen geben wird“, erklärte UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk. „Die schockierende Gewalt in Bangladesch muss aufhören.“ Zugleich appellierte der österreichische Diplomat „eindringlich an die politische Führung und die Sicherheitskräfte, ihren Verpflichtungen zum Schutz des Lebens sowie der Freiheit friedlicher Versammlungen und Meinungsäußerungen nachzukommen“.

Am Sonntag waren landesweit hunderttausende Regierungsgegner und -anhänger auf die Straße gegangen und hatten sich gegenseitig mit Messern, Stöcken und Knüppeln angegriffen. Zudem schossen Sicherheitskräfte mit Gewehren in die Menge. Laut den AFP vorliegenden Zahlen wurden mindestens 94 Menschen getötet. Dies ist die höchste Zahl an Opfern seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Juli. Unter den Getöteten waren auch 14 Polizisten, deren Revier nach offiziellen Angaben in Enayetpur im Nordosten des Landes gestürmt wurde.

Ursprünglich gingen die Demonstranten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst auf die Straße, die ihren Angaben zufolge Unterstützer von Hasina bevorzugte. Inzwischen haben die Demonstrationen den Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin und ihres Kabinetts zum Ziel.

Auch Filmstars schließen sich Protesten an

Der Protestbewegung haben sich mittlerweile Menschen aus allen Bevölkerungsschichten angeschlossen, unter anderem Filmstars, bekannte Musiker und ehemalige Generäle haben ihre Unterstützung ausgedrückt. Auch 47 Firmen der für die Wirtschaft des Landes wichtigen Textilbranche haben sich mit den Demonstrierenden solidarisiert. Offen ist bisher, ob die Armee die Protestierenden unterstützen wird – oder weiterhin zu Hasina steht.

Die 76-jährige Regierungschefin war im Jänner in einer von einem großen Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer Regierung werden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen – bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller. (APA/AFP)

170 Millionen: Bangladesch hat weltweit achtgrößte Bevölkerung

In Bangladesch mit seinen mehr als 170 Millionen Einwohnern sind die Arbeitslosigkeit und Inflation hoch. Jobs für die Regierung sind meist gut bezahlt. Das von der Regierung geplante System sah 30 Prozent der Stellen für Kriegsveteranen vor, die 1971 für die Unabhängigkeit des Landes von Pakistan gekämpft haben. Insgesamt sollten mehr als die Hälfte der Stellen für bestimmte Gruppen reserviert werden. Diese Regelung begünstigte Beobachtern zufolge Anhänger Hasinas. Vor zwei Wochen entschied ein Gericht aber, ab sofort sollten 93 Prozent der Einstellungen auf der Grundlage von Leistung erfolgen. Damit folgte es zumindest teilweise der Forderung der Protestierenden. Lediglich die restlichen sieben Prozent würden unter eine Quotenregelung kommen und vorwiegend für Nachkommen von Soldaten reserviert sein, entschieden die Richter.

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